„Stark wie der Tod ist die Liebe“ (Hohelied)

Konzert zu Anlass der Wiedererrichtung der Synagoge in Graz im November 2000 von Prof. Dr. Walter Bernhart
Unter dem – durchaus wagnernahen – Motto „Stark wie der Tod ist die Liebe“ stand eine Veranstaltung, die zu den eindrucksvollsten und erinnerungsmächtigsten zählt, mit denen das WAGNER FORUM GRAZ bisher an die Öffentlichkeit getreten ist. Gemeinsam mit der Israelitischen Kultusgemeinde der Stadt bat das Forum im festlichen Barocksaal bei den Minoriten zu einem Konzert, dessen Erlebniswelt allerdings in spannungsvollem Kontrast zu jener des gewählten Ambientes stand. Denn der Anlass des Konzerts war die endlich realisierte Wiedererrichtung der Grazer Synagoge, die 1938 als Opfer der Pogromnacht in Flammen aufgegangen war, und dem Wagner Forum war es ein besonderes Anliegen, mit der gemeinsamen Veranstaltung ein Zeichen der solidarischen Einbindung in dieses für die Identität der Stadt so bedeutsame Ereignis zu setzen.

Im Zentrum des Abends stand die Aufführung von Olivier Messiaens „Quatuor pour la Fin du Temps“, einem Werk, das 1941 im Konzentrationslager Gärlitz entstand und das als ein monumentales Schl+sselwerk des Jahrhunderts angesehen werden muss, indem es mit unvergleichlicher Eindringlichkeit de profundis zu sublimen Bereichen spiritueller Enträcktheit vorstößt. Aus ähnlicher existentieller Notlage heraus entstand 1943 im Lager Theresienstadt Gideon Kleins packende „Sonate für Klavier“, die eine vorbildhafte Interpretation durch Christiane Perai erfuhr. Zu Beginn des Konzerts erklang eine Vertonung des 23. Psalms durch Wim van Zutphen, stilsicher gesungen von Richard Ames, Kantor an der Grazer Synagoge und tatkräftiger Mitorganisator des Abends.

Die Bedeutsamkeit des Ereignisses dokumentierte sich letztlich darin, dass sich fünf Komponisten (Jakob Jez, Franz Zebinger, Wim van Zutphen, Georg Friedrich Haas, Richard Dänser) zusammenfanden, um die gemeinsame Uraufführung eines eigens für den Anlass geschriebenen Werks („Das Trimberg Minneliederbuch“) zu ermöglichen. Als Textdichter wählten sie Süßkind von Trimberg, den, soweit bekannt, einzigen jüdischen Minnesänger aus dem 13. Jahrhundert, von dessen Liedern einige reizvoll in verschiedenen Vertonungen in unterschiedlichen, aber stets zeitgemäßen musikalischen Stilausprägungen erklangen. Die Ausführung der Werke lag neben den Sängern Richard Ames und der persönlichkeitsstarken Dagmar Hödl unter der Leitung Wim van Zutphens in den Händen des Austrian Art Ensemble, einer Gruppe von Musikern, deren internationaler Ruf als feinsinnige Spezialisten für zeitgenössische Musik sich hier erneut als gerechtfertigt erwies. Die Konzentration der Musiker übertrug sich auf ein gebannt miterlebendes Publikum, das die befreiende Öffnung des C-Dur-Schlusses im „Minneliederbuch“ dankbar mitvollzog und sich damit den Symbolwert des Abends in Bezug auf seinen Anlass bewusst machen konnte.